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Ben (10 J.)

Ben ist 10, als seine zerstrittenen Eltern zum zweiten Mal den Versuch starten, einen Familienrat zu machen. Er kennt seine Eltern bisher nur streitend und vor Gericht diskutierend. Gemeinsam an einem Tisch zu sitzen ist eine ganz neue Erfahrung, die nicht nur einen Plan als Ergebnis hat.

Alle an einen Tisch

Ben ist 7 Jahre alt und ein aufgeweckter, kluger Junge. Seine Eltern sind schon lange getrennt und Ben lebt mit seinem Vater zusammen in Hamburg. Seine Mama ist nach der Trennung wieder in die Nähe ihrer Heimat gezogen, in ein kleines Dorf im Osten Deutschlands. Dort wohnt auch die restliche Familie von Bens Mama.

Die Umgänge von Ben und seiner Mama sind schwierig. Der Fahrtweg von gut 2 Stunden ist eine große Hürde und noch ist Ben nicht groß genug, um allein zwischen Mama und Papa hin und her zu reisen. Auch machen sich beide Elternteile große Sorgen um Bens Entwicklung und wollen für ihn nur das Beste. Jedoch haben sie sehr unterschiedliche Ideen darüber, was genau das Beste für Ben ist und es kommt oft zum Streit! Eigentlich endet jeder Kontakt der beiden in Streitigkeiten, Vorwürfen, und Geschrei. Und dazu haben ja die Großeltern auch immer noch eine Meinung…

Ist die derzeitige Schule die richtige für Ben? Wäre es nicht besser, wenn Ben doch zur Mama ziehen würde, da der Papa so viel arbeitet? Wie kann ein ausgeglichener Kontakt zu beiden Elternteilen gelingen? Aus Sicht von Papa ist die Mama sehr unzuverlässig und andersherum. Alle Absprachen, die die Eltern in Erziehungsberatungsstellen oder beim Jugendamt vereinbaren, klappen nicht. Die Familie ist dem Jugendamt schon lange bekannt. Und nach ein paar Wochen Ruhe geht es gerade einmal wieder heiß einher. Bevor es nun erneut zum Familiengericht geht, welches einmal wieder die Frage nach den Umgängen und wer von Bens Eltern was tun darf und muss, klären soll schlägt der Sachbearbeiter vom Jugendamt den Eltern von Ben vor, einen Familienrat zu machen.

Der erste Kontakt zum Familienratsbüro

Anfangs sind die Eltern von Ben skeptisch. Sie können sich nicht ausstehen und gerade noch nicht mal angemessen miteinander telefonieren. Wie soll da ein Treffen mit allen gemeinsam an einem Tisch funktionieren? Aber für ein Infogespräch sind sie bereit. Ein unabhängiger Koordinator trifft sich mit beiden Elternteilen einzeln und erklärt, was ein Familienrat ist. Ein Versuch kann ja nicht schaden?

Die Vorbereitungen für den Familienrat laufen auf Hochtouren und nach viel hin und her ist ein gemeinsames Datum und ein Ort für das Treffen gefunden. Und dann: CORONA… genau eine Woche vor dem Rat der Familie kommt der erste lockdown in Hamburg und die Welt steht Kopf. Die Familie ist verunsichert, möchte den Termin verschieben. Und so bleibt das Treffen in der Schwebe. Je länger die neue Situation anhält, desto mehr Irritationen kommen wieder hoch, und schlussendlich können sich die Eltern nicht mehr auf einen gemeinsamen Termin oder einen Ort und pandemiesichere Rahmen für ihr Treffen einigen. Die Koordination für den Familienrat wird beendet und die Familie wendet sich erneut an das Jugendamt und das Familiengericht.

Eine neue Chance

Knapp drei Jahre später nimmt Bens Vater erneut Kontakt zum Familienratsbüro auf. Und auch Bens Mutter meldet sich. Gerade stehen die Eltern erneut vor dem Familiengericht und die Lage ist angespannter denn je. Viel Streit, und Ben sitzt noch immer zwischen den Stühlen. Das Familiengericht hat eine Pause von 4 Wochen angeordnet, in welcher die Familie nochmals die Chance bekommt, selbst einen Plan und eine Einigung zu finden. Sollte dies nicht klappen, wird das Gericht Nägel mit Köpfen machen.

Eine Koordinatorin übernimmt die Vorbereitung mit der Familie, und dieses Mal haben alle ein Ziel: möglichst schnell ein Treffen ermöglichen. Ein Familienrat mit den jeweiligen Großeltern, dem besten Freund von Bens Papa und Bens gefühlten Onkel, den neuen Lebensgefährt:innen der Eltern… Alle kommen Sie in Hamburg zusammen an einen Tisch. Auch Ben, der inzwischen 10 Jahre alt ist, ist natürlich dabei. Zu Anfang ist die Stimmung sehr angespannt. Die Luft knistert förmlich, als die Koordinatorin sich verabschiedet und der Familie viel Erfolg wünscht. 1,5 Stunden später ruft die Familie an und ist fertig. Die Koordinatorin kommt zurück, die Stimmung ist wie ausgewechsel,  als die Familie ihren Plan vorstellt. Dieser ist konkret und beinhaltet sogar die Umsetzung von Bens größtem Herzenswunsch: einmal etwas mit beiden Elternteilen gemeinsam unternehmen! Gleich im Anschluss an das heutige Treffen wollen die drei noch die Zeit nutzen, bis Mamas Zug zurückfährt, und gemeinsam auf den Hamburger Dom gehen. Ben mit Papa und Mama!

Nachdem der Plan vorgestellt wurde, steht Ben auf und fragt, ob er noch etwas sagen darf. Ben guckt seine Eltern an und sagt: „Ich habe all die Jahre immer gedacht, ihr streitet wegen mir und ich sei das Problem. Aber heute habe ich festgestellt, dass ich ein ziemlich krasser Typ sein muss! Denn eigentlich streitet ihr euch ja nur darum, wer am meisten Zeit mit mir verbringen darf!“

 

(Story vom Familienratsbüro Wandsbek Hamburg, Nele Stapelfeldt)